31. März 2007. Im Zwischenfall zuletzt 89 oder 90 gewesen. Damals immer nur wegen der Gruftie-Mädchen in Strapsen hingegangen, wegen der Musik, die mich nicht die Bohne interessiert hat, bestimmt nicht. Kaum eine Erinnerung daran gerettet. Heute also die Pop 2007. Als Don über die Gästeliste rein und gleich hoch. Nachdem der Saal sich gefüllt hat, spricht Mike Litt einleitende Worte und erzählt was von „bester Band der Welt aus Hamburg“. Mike Litt ist zwar ein großer Sympathieträger, aber diese Aussage kann er so nicht gewollt haben. Denn die Lehmitz Hausband eiert musikalisch irgendwo zwischen Die Happy und Suderwicher Schweineball herum. Das ist viel gruseliger als die Gruftie-Mädchen in Strapsen, die ich spätestens an dieser Stelle zu vermissen beginne. Jürgen Boebers-Süßmann liest als erster aus „Skandal im Sperrbezirk“, was klingt wie die passenden WAZ-Artikel zur Lehmitz Hausband. Die sollten sich mal zusammentun. Mir kommt Canettis „Masse und Macht“ in den Sinn, der Zustand der Entladung als befreiender Akt, als das Publikum unvermittelt die „Dallas“-Titelmelodie oder irgendwelche Gassenhauer aus den 70ern anstimmt. Dazwischen haut die Lehmitz Hausband immer wieder auch die leisesten Anflüge von Subkultur-Gefühlen gnadenlos zu Schrott. Zweiter Leser ist der zauselige Klaus Fiehe. Seine Radiostimme und die brillanten Fauser-Texte sind der erste Lichtblick an diesem Abend. LEBENdIGITAL fand ich nicht so schlecht wie manch anderer (und allemal besser als die „Hausband“). Ihre Videoprojektionen bekommen von mir das Prädikat „durchaus sehenswert“. Als schließlich der körperlich sichtlich angeschlagene Wolfgang Welt mit seinem Beutel auf die Bühne tritt, wirkt es, als hätte er seine Texte eben erst bei Aldi eingekauft. Als kinky Kronzeuge der verschwendeten Jugend seiner Zuhörerschaft sollte er uns an diesem Abend historische Sätze wie „schon halb drei und immer noch nix zu ficken“ oder „damals durfte man noch Neger sagen“ ins kollektive Gedächtnis meißeln. Dabei setzt er seinen phlegmatischen Bewegungen ein unglaubliches Lesetempo entgegen. Mindestens jeder dritte Satz wird von ihm zernuschelt, und gerade das ist seine Marke, wäre es anders, hätte es nicht halb so viel Unterhaltungswert. Welt geht durch seinen Tunnel am Ende des Lichts und schafft leider nur zwei als zu kurz empfundene Lesungen. Danach kündigt Mike Litt an, die „Hausband“ würde nun endlich mal durchspielen, womit er den Stöpsel aus der Wanne zieht und die Gäste mit dem Strudel nach unten rutschen. Henry boxt im TV um Millionen, Klaus Fiehe verstört die Gäste mit elitärem Folk-Einstieg und obskurem Zeitlupen-Dancehall, eine Stunde lang seiner Zeit voraus. Mike Litt ist zu guter Letzt besoffen genug, um dem Mob doch noch Stonsche Satisfaction zu geben. Hört nicht immer denselben Scheiß, denke ich, bevor es nach Hause geht. Zurück zu „Ficken, Musik und Arbeit“. Um mehr geht’s halt nicht. Diese Erkenntnis auszuhalten, ist nicht leicht, doch es gelingt an diesem Abend der gelebten Extreme. Bitte mehr davon.