Montag, August 27, 2007

Hanns-Josef Ortheil – Die große Liebe

Am Donnerstag legte Lars mir einen Stapel Versuchsformulare auf den Tisch. Scherversuche. Dies bedeutet Versuchsmaterial einbauen, Messinstrumente einstellen, Gerät starten. Warten. Es dauert etwa 30 bis 60 Minuten bis etwas passiert. Dann müssen zunächst nach 1, 3, 5, 7, 10, dann alle 5 Minuten die entsprechenden Werte abgelesen und in ein Protokoll eingetragen werden. Der Versuch läuft eine Stunde. Was ich damit sagen will: ca. 2 Stunden habe ich nicht viel mehr zu tun, als auf eine Maschine zu starren, darauf zu warten dass etwas passiert und wenn etwas passiert, ein paar Werte abzulesen. Und weil ich diese Zeitverschwendung zum Kotzen finde, lese ich nebenher Bücher. Zuletzt waren das z. B.: Alex Capus "Glaubst du, daß es Liebe war?", Alain Claude Sulzer "Annas Maske" und Jonathan Franzen "Die 27ste Stadt".

Und just am Donnerstag hatte ich kein Buch dabei. Verdammter Mist, dachte ich, und schob den Versuch auf. In der Mittagspause lief ich zu Schaten im Unicenter. Ich blätterte durch die Neuerscheinungen und stieß auf "Das Verlangen nach Liebe" von Hanns-Josef Ortheil. Der Klappentext klingt gut, dachte ich, doch so ein Hardcover ist mir zu teuer. Aber da stand auch: „Nach „Die große Liebe“ hat Hanns-Josef Ortheil einen neuen Liebesroman geschrieben.“ Ich suchte nach diesem Vorgänger unter den Taschenbüchern und fand es tatsächlich. Auf dem Umschlag wird der unbarmherzige Denis Scheck zitiert, der selten ein Buch nicht in die Tonne befördert – ich nahm es mit.

Italiener in Deutschland und Deutsche in Italien, das ist immer noch ein Modethema in der deutschen Unterhaltungsliteratur und ich gebe zu, ich habe über Jan Weilers Antonio geschmunzelt. Doch so langsam geht mir der x-te Aufguss dieses Themas auf den Keks. Warum aber dann dieses Buch, in dem es genau darum geht, dass ein Deutscher für 10 Tage nach Italien fährt? Weil es ganz anders ist, weil es um die große, ernsthafte, tiefe Liebe geht, um das Meer, ums Essen, um Traditionen. Der Ich-Erzähler, ein Münchner Redakteur, will einen Film über das Meer drehen und fährt dafür nach San Benedetto. Er war nicht mehr verliebt, seit er mit 17 seine damalige Freundin mit ihrem Musiklehrer beim Cunnilingus erwischte. Daraufhin hatte er sich in kurze Affären gestürzt, hatte nur noch Interesse an Sex, nicht aber an der Liebe. Nun begegnet sie ihm doch noch, und zu sehen wie er sie festzuhalten versucht ist weder kitschig noch abgeschmackt. Fast kommt es mir vor, es ist der Rhythmus der Meeresbrandung, der ihn gefangen hält und in dem er erzählt. Und ich bin mir bis zum letzten Satz nicht sicher: kommt sie?


Anm. der Redaktion: Das mit dem Cunnilingus hab ich nur geschrieben, weil der Blog wegen des Sommerlochs neue Leser braucht. So etwas würde ich doch sonst nie in den Mund nehmen!

Mittwoch, August 22, 2007

Lucio Battisti - La Canzone del Sole

Ich melde mich mal für ein paar Tage ab (nicht, dass es vorher hier besonders aufgefallen wäre, dass ich noch da bin). Kann den Regen einfach nicht mehr ertragen, also geht es in Richtung Sonne. Passend dazu die "Canzone del Sole" von Lucio Battisti. Frl. W., übernehmen Sie, derweil.

Freitag, August 10, 2007

The Afghan Whigs – Gentlemen (1993)

Hier also, in dem Land, von dem Du glaubtest, es kenne keine gute Musik, liefen im TV, viel zu spät, immer wieder dieselben drei Videos. Eines hieß „Disarm“, das andere hast Du vergessen, das dritte war „Debonair“ von den Afghan Whigs. Wie oft hast Du ihr, in der Via Santa Maria, im Geiste diese Worte vorgesungen:

Hear me now and don't forget
I'm not the man my actions would suggest
A little boy, I'm tied to you
I fell apart
That's what I always do

Und Dich aber tatsächlich nie getraut. Du feiger Hund in love hast Dich lieber lächerlich gemacht und Dich im Dreck aus Selbstmitleid gewälzt. Aber immerhin, da war die Musik, wenn Du entlang der schiefen Schatten um den Turm gestreunt bist oder Deine verzweifelte Lache von der Brücke auf die Züge sprang. „'Cause it don't bleed and it don't breathe / It's locked its jaws and now it's swallowing / It's in our heart / It's in our head / It's in our love / Baby it's in our bed”. Die Seuche griff gnadenlos um sich, alles war von deinen kranken Gefühlen befallen. Aber, da war die Musik, das einzige, was noch etwas zählte und so sehr du sie auch bespucktest, sie war immun gegen jede Attacke, sie dröhnte groß und mächtig über die Piazze, über die Corsi, bis in die kleinsten Vicoli war sie zu hören und wenn dir auch sonst nichts von jenen Tagen geblieben ist, so doch die Erinnerung an deinen Daumen, wie er auf Play drückte, damit du den Text von „If I Were Going“ auswendig lerntest, damit dir was zu sagen blieb, wenn du dir selbst beim Gang zu den eignen Worten mal wieder im Wege stehen solltest. Und wenn auch das nichts half, dann skipptest du eben vor bis zum letzten Lied, dem Schlussgebet ohne Worte, das hatte keine Worte, das brauchte keine Worte. Es war nur Musik.