Vor den zum Jahresende auf uns zurollenden Poll- und Listenlawinen möchte ich noch schnell meine drei Lieder des Jahres in Sicherheit bringen. Zwei der drei Künstler(gruppen) waren mir bis vor wenigen Monaten übrigens gänzlich unbekannt, aber man muss ja auch nicht immer so tun, als ob man Ahnung hätte. Warum ausgerechnet drei Lieder und nicht eines oder dreihundertsechsundfünfzig? Weil es drei klasse Songs sind, schon klar, aber auch, weil sie repräsentativ für die Richtungen stehen, aus denen ich 2006 am hungrigsten Musik gejagt und aufgesaugt habe und die ich mal mit „Saiten“, „Daten“ und „Kloppen“ markieren möchte.
In der „Kloppen“-Kategorie hat Prince mit „Black Sweat“ die Nase vorn. Mag sein, dass die wirklich großen Momente von Prince in den letzten Jahren seltener geworden sind. Hier blitzt jedenfalls mal wieder sein irres Gespür für die Bloßlegung des Wesentlichen auf. „Black Sweat“ ist ein bisschen die Essenz von „Kiss“ ins neue Jahrtausend hinübergerettet, freilich ohne catchy-Refrain, den es für einen Welthit gebraucht hätte: lüstern, knallhart, staubtrocken. Mit wenigen Handgriffen wird hier ein Groove gezimmert, der allen Epigonen neidvolle Blässe ins Gesicht treibt, mögen sie Pharrell oder Kanye oder sonstwie heißen.
Hot Chip sind in den Listen des Jahres Everybody’s Darling. Meiner auch, es hat ja auch kaum eine andere Platte für so belebenden Zugewinn im „Daten-Pop“ gesorgt wie „The Warning“. Konnte ich mich „Black Sweat“ bereits aus einer gewissen Distanz heraus nähern, so wird mir das mit Hot Chip kaum gelingen. Zu unmittelbar ist noch die Begeisterung für das Titelstück „The Warning“, einem Bandohrwurm von Melodie, der sich nun schon seit Monaten durch meine Gehirnwindungen frisst. Eines der wenigen Lieder, bei denen ich mir ganz sicher bin, dass ich sie auch noch in 15 Jahren mit ungebrochenem Glücksgefühl werde hören können. „Excuse me miss / I'm a dog on heat / I'm a complicated being / With love songs to eat / I'm a poor, starving baby / who can march all night / I'm a mechanical music man / And I'm Starting a fire.“ Leider besitze ich „The Warning“ ja nur als, äh, private Kopie, hallo Weihnachtsmann, magst Du mir mal die Vinyl-Platte unter den Baum legen?
Midlake währen ohne den „Cooporative Music Volume 3“-Sampler vermutlich an mir vorbeigegangen. Bereits „Head Home“, der CD-Track, lies mich aufhorchen, endgültig geknallt hat es dann beim Video zu „Young Bride“ auf der DVD. Zu Beginn fadet das Lied langsam hoch, ein Trick, der weder neu noch innovativ, aber immer noch wirkungsvoll ist: Ein wehmütiges Violinen-Intro, das seine Stimmung an ein beharrliches Schlagwerk übergibt, ein synkopischer Bass setzt ein und dann endlich die hymnische Erlösung wenn die Saiten loslegen. Lied und Video sind einfach zu schön, um ungewürdigt zu bleiben. Ich werde alle drei Lieder übrigens beim kommenden Auflegeabend dabei haben, wenngleich die Dine neulich meinte, dass ihr der penetrant hohe Pfeifton in „Black Sweat“ ziemlich auf die Nerven gehen würde.