EBTG / ADA – Each And Every One
Roter Tau am Morgen. Die Wunde Sex blutet noch von letzter Nacht. Müde Euphorie, die sich aus dem Fenster hängt: mein Blick entlang der grauen Wand mit weißen Quadraten, hinter denen hundert unbekannte Schicksale hausen. Mit einem von ihnen bin ich nun verbunden. Mein Finger drückt auf „Play“, süßes Lied des Anbruchs aus dem Garten Eden: Bläser boxen ein vierfaches Präludium durch den Raum, in dem sich ein Percussion-Teppich ausrollt, um zum Jazz-Matinee einzuladen. Eine dunkle Frauenstimme swingt sich zur Theke, singt zornig vom Ende einer Liebe und kippt zum Abschied noch einen letzten Drink herunter. „Being kind is just a way to keep me under your thumb and I can cry because that's something we've always done“. Was gestern Nacht begann, hat ein Ende auf Abruf. Ich drehe lauter, die Zeit, die es noch hat, will ich genießen.
Viele Jahre später schreibe ich das auf, belächle meinen in der Manier durchschnittlicher Popliteraten unternommenen Versuch, lieb gewonnene Lieder an längst vergessene Bumsgeschichten zu koppeln. Manchmal möchte man eben gerne wie alle anderen sein. Und manchmal ist es Zeit für ein neues Kostüm, das vorgaukelt, man wäre plötzlich jemand ganz anderes, „the same thing in different guise“. Auf dem Plattenteller liegt Seite C von Blondie. Was zuvor einen sexy kurzen Rock anhatte, wird hier in ein langes, kühl-hochgeschlossenes Rhythmus-Kleid gesteckt: „You tell me I'm free of the past now and all those lies“. Doch trotz der Zurückhaltung kristallisiert sich Zorn nun zu Zucker: Ehe man sich versieht, tanzt man bereits durch einen üppigen Raum aus Verführung, ergibt sich dem langen Vorspiel, bis die liebreizende Stimme endlich zaghaft einsetzt. Sie traut sich nicht so recht zu singen, lässt zum Ende hin sogar die Wiederholung einer Strophe weg. Dafür überschlägt sich der Rhythmus, dem Kleid platzen die Nähte, Knöpfe schießen umher, schließlich wackelt die ganze Bude. Ada schnürt mit ihrer Interpretation ein atemberaubendes Korsett auf, schmiert den frei gewordenen Leib mit Honig, aber auch mit ein wenig Teer ein. Damit die neuen Federn auch wirklich halten. Dabei lächelt sie lieb und denkt sich: Kleider machen heute! Ich drehe lauter, der Abruf hat ein Ende, die Zeit, die es sich nimmt, will ich genießen.
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