Mittwoch, März 28, 2007

Out Of The Woods

Seit heute liegt es also – einen Tag vor dem offiziellen Release in Deutschland, Import sei Dank – auf meinem Plattenteller. Das sehnlichst erwartete neue Album von Tracey Thorn. Kribbelige Spannung rieselte mir durch Daumen und Zeigefinger, als ich die Nadel in die Rille setzte. Es fällt mir schwer, diesen Moment nicht als „erhaben“ zu idealisieren, sei’s drum, all die Tonnen verschlungener Musik haben meine Sinneswahrnehmungen jedenfalls nicht abstumpfen können. „Here It Comes Again“ gab es ja bereits als Kostprobe auf Myspace zu hören, ein ungewöhnlich verhaltener Einstieg, der klingt, als sei er in einer Kapelle mit hohen Decken aufgenommen worden. Darauf folgt „A-Z", im Tempo nur wenig schneller und mit geheimnisvollem in die Jetztzeit gerettetem 80er-Synthiemotiv. An der 80er Richtschnur hangelt sich auch Singleauskoppelung „It’s All True“ entlang (übrigens mitgeschrieben und -produziert von keinem Geringeren als Metro Areas Darshan Jesrani), auch diese jedoch nicht ein bloßes Retro-Statement, sondern als geschichts- und selbstbewusste Unabhängigkeitserklärung vorgetragen. Über jedes einzelne Lied könnte ich einen kleinen Roman schreiben, ich beschränke mich auf kurze Spotlights: das gefällige „Falling Of A Log“ wird auch euch nicht mehr loslassen, habt ihr es erst einmal gehört; dann mein persönlicher Überhit und demnächst hoffentlich als Single zum Remixen zu haben: „Grand Canyon“ (bitte einmal am Tag Huldigungsverbeugungen in Richtung Portugal für Alex Santos); wie schafft Tracey es eigentlich immer wieder aufs Neue, die Standards für traurige Verlustgeschichten neu zu definieren? „By Piccadilly Station I Sit Down And Wait“ zeigt, wie man das macht. Und schließlich doch ein zuversichtlicher Ausblick in „Raise The Roof“, das Tracey selbst als „a kind of shimmery piece of Scritti Politti-style pop“ treffend beschreibt. Hat hier irgendjemand tatsächlich eine objektive Kritik erwartet? Der hat sie doch nicht alle.

Dienstag, März 20, 2007

Chronicles Of Every Diva - Köln - 14. März 2007

Die anfängliche Unentschlossenheit überwunden, das teure Ticket in der Tasche und dann doch wieder Skepsis beim Betreten des Yard Clubs. Denn die tollen Diven will niemand sehen. Vom E-Werk direkt in dieses kleine Kabuff verlegt, nicht einmal für die benachbarte Kantine haben die Ticketverkäufe gereicht. Noch tiefer werden die Furchen in meiner Stirn angesichts des aufgeschlagenen Publikums: Vor mir in vorderster Reihe ein Menorca-Urlaubspärchen, das locker als meine Eltern durchgehen würde. Ein Blick über die Reihen hinter mir bestätigt alle Befürchtungen: Wer hier hingekommen ist, hat „The Glamorous Life“ seinerzeit mit Mitte Zwanzig gekauft. Hör auf zu meckern, Don. Eng ist es hier und heiß. Um kurz nach 21 Uhr ebnet sich ein breitschultriger Security-Typ mit böse-einschüchterndem Bulldoggenblick den Weg durch die Menge bis zur Treppe, die auf die winzige Bühne führt. Die Diven müssen sich in Ermangelung eines Backstage-Raums ihren Weg von der Damentoilette durch die Menge bis zu ihren Instrumenten bahnen. Mit den alten Heldinnen auf Tuchfühlung. Rhonda Smith, Kat Dyson, Cassandra O’Neil und schließlich Sheila herself stellen sich in einer Reihe auf. Sheila ist zusammen mit ihrem Publikum sichtlich gealtert, kann sich aber immer noch ohne lächerlich zu wirken in einen atemberaubend knappen Rock zwängen. Sie schaut ein wenig schlecht gelaunt drein. Ein „Chronicles Of Every Diva“-Solo wird kurz angestimmt, dann macht Sheila das, was sie sicherlich am besten kann, sie setzt sich hinter ihr Schlagzeug und haut alles kurz und klein, was immer sich ihr aus der langen Geschichte von Soul, Latin und Funk in den Weg stellt. So drischt sie auf uns ein, wir wollen das so und freuen uns, dass wir nach der langen Zeit endlich mal wieder ordentlich verhauen werden. Die anderen Gespielinnen dürfen natürlich auch zeigen, was sie können, bekommen ausgiebige Soli, wobei jeder Griff und jede Note so tight sitzen wie die Strumpfhosen, die sie an den Beinen tragen. Größte Sensation des Abends ist zweifelsohne Special Guest Candy Dulfer. Ihr „Sax-A-Go-Go“ bringt die alternden Knochen im Saal zum klappern, dass es eine Wonne ist. Von nun an bleibt alles in Bewegung, ein Knüller folgt dem nächsten, auch die neuen Songs des noch nicht veröffentlichten COED-Albums überraschen positiv. Dann die Zugabe, auf die alle gewartet haben: The Glamorous Life mit einer Beserker-Sheila, die im stehen ihre Percussions malträtiert. Das war’s dann aber auch. Eineinhalb Stunden Konzert war mir viel zu kurz. Und auf Shakira nebenan in der Kantinen-Disco hatte ich keine Lust. Meine Hüften lügen nämlich nicht, sie schmerzen ein bisschen. Also ging es gleich heim mit der Hoffnung, bis zum nächsten Sheila-Konzert nicht noch einmal 18 Jahre warten zu müssen...

Freitag, März 16, 2007

Pop! Goes My Heart

Auch wenn die Feuilleton-feste Leserschaft dieser Seite die gepuderte Nase rümpfen wird: Über Hugh Grant und Drew Barrymore in "Music & Lyrics" kann man herzlich lachen, wenn man will. Sicher, der ein oder andere Gag liegt etwas flach, das Happy End ist abgedroschen und allein die deutsche Titelwahl ("Mitten ins Herz - Ein Song für Dich") ziemlich daneben. Wenn es aber schon mal Zuckerwattekino sein soll, dann bitte so etwas. Und bitte mehr unglaublich lustige Wham!-Verarsche-Videos (aus unerfindlichen Gründen funktioniert das Einbinden aus Youtube gerade nicht, also bitte rüberklicken). Ich werde dann mal den Pop!-Hüftschwung üben und ihn beim nächsten Discobesuch vor größerem Publikum zum besten geben.

Mittwoch, März 14, 2007

Sound Of Silver

"Losing My Edge" - Das war seinerzeit das Manifest des ortlosen Alt-Hipsters: Mit jenseits der Dreißig längst zu uncool für feuchte Mädchenschlüpferträume, mit einer Haltung wiederum zu nerdig, um als Produzent von Britney in Frage zu kommen. James Murphy dropte all die Namen bevor es jemand anders tat, sprang mitten rein in den Zyklon der eigenen Zerfaserung an den Rändern der Subkultur, wohl wissend, dass die „Kids From Behind“ schon darauf warteten, ihn abzulösen. Aber er, der Hipster, war dabei, hat alles schon gesehen, vor allen anderen, und eigentlich seien die „better-looking people with better ideas and more talent“ ja auch wirklich nett. James Murphy hat nun erneut bewiesen, dass er ein kluger Mann ist: Er weiß um das große Dilemma, mit dem das Pop-Produkt nicht erst seit Web 2.0. zu kämpfen hat: Seine immer gieriger zehrende Vergänglichkeit durch die Diskursgewalt von Tauschbörsen. Warum also das neue Album von LCD Soundsystem nicht gleich komplett bei Myspace reinstellen? Warum also nicht schon mal Remixe raushauen, noch bevor man „Sound Of Silver“ offiziell im Laden kaufen kann? Und damit die Übeholtheit als Prinzip setzen? Ja, James Murphy ist ein kluger Mann. Denn er hat ein Album gemacht, das größer ist als sein Vorgänger. Beängstigend groß. Weiß jemand, ob es noch Karten für das Konzert im Stollwerck gibt?

Mittwoch, März 07, 2007

The Family. Feb. 10, 2007

Reunion-Wahn auch im Prince-Camp. Ihr drittes Konzert in 20 Jahren geben "The Family", jene Band, für deren sagenumwobenes erstes und einziges Album man bei ebay astronomische Beträge zahlen muss (zumindest, wenn man die CD haben möchte) und die ich hier bereits mal, äh, erwähnt hatte. Ein Lied von The Family kennt jeder, der das hier liest: nämlich das Original von "Nothing Compares 2 U". Das "Family"-Album genießt in Fankreisen und inzwischen auch darüber hinaus einen etwas verklärten, aber irgendwie auch berechtigten Kultstatus, vermutlich, weil es besser ist, als vieles, was Prince selbst in letzter Zeit so zustande gebracht hat. Mir altem Sack ging jedenfalls ein kleines bisschen das Herz auf, als ich keinen geringeren als Questlove die einleitenden Worte zur Roots Jam Show sprechen sah und hörte. The Family will auch in Europa touren, ich werde da sein. Myspace

Samstag, März 03, 2007

Grand Canyon...

...und "Here It Comes Again" heißen die beiden Songs, welche man aus Tracey Thorns neuem Soloalbum "Out Of The Woods" nun hören kann. Über zwanzig Jahre sind seit "A Distant Shore" vergangen, fast acht Jahre liegt die Veröffentlichung des letzten EBTG-Albums zurück. Besonders "Grand Canyon" lässt keinen Zweifel, wie schmerzlich ich diese einzigartige Stimme vermisst habe. Niemand sonst bekommt beim Singen diese verführerische Traurigkeit, diese bedingungslose Sehnsucht nach Vergänglichkeit hin. Niemand! Eine eigene, sehr ansprechend inszenierte Webseite hat Tracey nun auch. Ich werde nichts downloaden, ich werde mir "Out Of The Woods" nicht irgendwo besorgen, sondern brav den offiziellen Release abwarten (hier in Deutschland übrigens erst am 30. März, während der Rest der Welt bereits am 5. beglückt wird. Aber nein, ich warte, und strecke hiermit einen dicken FUCK-Finger in Richtung Virgin Germany aus, ihr seid heiße Anwärter auf Dons Deppen, Arschlecken!). Egal, alles wird gut: "Step Out Of The Woods Into The Light / Everybody Loves You Here". Man möge außerdem Traceys Aufforderung nachkommen: "go on, buy a copy, if only to keep Razorlight at a safe distance from the charts". Amen.

Freitag, März 02, 2007

Cold War Kids – Tell Me In The Morning

Während das neue Maximo Park-Album ziemlich „lame“ (so die aktuell meistgebrauchte Pejoration im Musikjournalisten-Jargon) klingt, zeigen die Cold War Kids wie man echte Hits schreibt. Andernorts liest man zwar, es handele sich bei „Robbers & Cowards“ um ein „sperrige[s] Album“, das ist natürlich nicht falsch, aber es gilt ganz sicher nicht für Knaller wie „Hang Me Up To Dry“, „Red Wine, Success!“ oder eben „Tell Me In The Morning“. Nathan Willetts leicht hysterischer Gesang, ein geradezu weihevoller Refrain und ein komplexes, aber durchaus tanzbares Rhythmus-Gefüge machen Letztgenanntes zum Lied für den großen Augenblick. „Tell Me In The Morning“ wird vermutlich nicht so ein Indiesco-Durchstarter wie seinerseits „Apply Some Pressure“ oder „Going Missing“, aber das ist vielleicht auch besser so. Bleibt die Hoffnung größer, auch das Folgealbum zu „Robbers & Cowards“ möge was hergeben. Reinhören.