Donnerstag, Juli 13, 2006

the family - river run dry

ein verregneter samstagabend irgendwann 1990. fast alles in dem auto, in dem ich sitze, ist falsch: der fahrer, der es lenkt: schmaler mund, der kläfft, wenn er sich öffnet, karohemd, blaugestreifte tennissocken, den rechten arm beim lenken gerade durchgedrückt, dabei das handgelenk nach oben abgeknickt, damit die finger sicher um das schwarze leder greifen können. in meinem kopf entsteht ein hassklischee erster güte: der prototyp eines mit beiden beinen im leben stehenden und mit seinem einen schwanz im after kleiner jungs steckenden fürsorglichen familienvaters. neben ihm seine langweilige, weil allem immer irgendwie unverbindlich und ihrem lenker stets unterwürfig-loyal ergebene freundin. hinten zu meiner linken schließlich jener freund, der die verbindung herstellt zwischen mir und diesem heuer vermutlich im kabinett gruseliger kuriositäten ausgestellten quasi-ehepaar. völlig falsch ist auch die richtung, in die das auto fährt. schon seit geraumer zeit kurvern wir um den parkplatz eines aus der rückschau absolut indiskutablen slipper-schuppens. wer war ich damals, dass ich mit in solche läden wollte? wer werde ich in 15 jahren sein und was wird mein zukünftiges ich aus den augenblicken machen, die mir heute als glücklich und richtig erscheinen?

mein blick geht durch die schlierige scheibe hinaus auf die lange reihe von menschen, die vor dem schuppen um ihren einlass betteln. kein parkplatz in sicht und dazu noch die aussicht, stundenlang im regen anstehen zu müssen. doch einen lichtblick gibt es für mich an diesem trostlosen abend. aus den boxen des autoradios breitet sich das ruhige timbre der stimme von alan bangs aus. eine stimme, welche für die insassen dieses fahrbaren gefängnisses wie die eines außerirdischen aus einer anderen welt geklungen haben muss, obwohl sie ja die eigentlichen aliens waren. ja, samstag nachts lief zu jener zeit, also zwischen 22 und 24 uhr, immer die "alan bangs connection". und alan bangs spielte an jenem abend, neben vielen anderen liedern und über die ganze sendung verteilt, fast das gesamte album von "the family".

von diesem side-project hatte ich zu jener zeit in einer prince-biographie bereits was gelesen. das album selbst war recht bald vergriffen, wurde aber 5 jahre nach seinem ersten erscheinen, dank des riesenerfolges von "nothing compares 2 u", wieder neu aufgelegt. denn das orginal von "nothing compares 2 u" wurde nicht, wie viele zu unrecht vermuten, von prince interpretiert, sondern eben von "the family". die auf dem plattencover abgeblideten musiker waren zum guten teil nur deko, prince hatte so ziemlich alle lieder selbst geschrieben und auch das meiste eingespielt. "so ziemlich alle lieder" heißt alle bis auf eins.

alan spielt zunächst das orginal von "nothing compares 2 u" und lässt verlauten, dass im weiteren verlauf der sendung noch mehr von dem album zu hören sein wird. ich bitte den kleine-jungen-schänder entgegen seiner zu erwartenden gewohnheit, nicht den sender zu wechseln, er spreizt die finger seiner nach oben abgeknickten hand zum fächer, lässt sie nacheinander auf das leder des lenkrads klopfen und lächelt seine freundin an. diese lächelt lieb und nett zurück, ein wort fällt während dieser szene nicht, na hauptsache der sender bleibt und ich kann während der nun gänzlich ziellos gewordenen fahrt weiter alan bangs lauschen.

die erste stunde ist vorbei, es folgen die nachrichten. gleich darauf holpert ein beat mit jeweils zwei kurzen und zwei langen schlägen aus den boxen. tm tm tam tam, tm tm tam tam. streicher setzen ein, geben dem trockenen rhythmus einen dramatischen überbau, scheinen sich zu unermesslicher melancholie zu steigern, bis sie schnell wieder abflauen, um nun einer stimme das feld zu überlassen. "how long I cry? 'til the river run dry" singt st.paul. und als der beat wieder losschlägt, steht susannah ihrem partner bei. mit unermüdlicher kraft peitschen sie sich im wettlauf mit den wellen der verzweiflung schlagenden streichern gegenseitig hoch. doch der beat bleibt unerbittlich, er haut alles entzwei, die liebe war, natürlich, von vornherein zum scheitern verurteilt. zum scheitern in schönheit: "you never told me that our love, it had no chance". river run dry ist das einzige lied, auf dem "family"-album, das prince nicht geschrieben hat. es ist das beste. bald darauf ist es vorbei.

die sendung ist nun fast zuende. wie ich so aus dem fenster schaue, merke ich, dass wir bereits wieder auf dem heimweg sind. ohne ausgestiegen, ohne in diese lächerliche disco gegangen zu sein. ich richte meinen blick wieder auf das lenkrad, auf die nach oben gespreizten finger, die nacheinander auf das leder klopfen, um es dann mit starkem griff zu umschließen. "na wenigstens für dich hat sich der abend gelohnt", höre ich den fahrer kläffen, der weiß, dass ich prince-fan bin. seine hand will eine ruhige sichere führung demonstrieren. ich weiß nun, ich will künftig lieber selber mit meinem eigenen auto fahren.

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