Dienstag, Juli 18, 2006

Bernd Cailloux: Das Geschäftsjahr 1968/69

Man hat hier und da die „präzise Lakonie“ gelobt oder war von dem „hinreißend lakonische[n] Porträt der 68er-Generation“ begeistert, die Bernd Cailloux in seinem Roman „Das Geschäftsjahr 1968/69“ gezeichnet hat. Die eigene Lektüre des Buches bestätigt zunächst diesen Eindruck der Kritiker. Doch was heißt eigentlich Lakonie? Unser aller Lieblingsenzyklopädie, Wikipedia, meint dazu:

„Als lakonisch (griech. lakonikos, lat. lacinicus) wird eine knappe, kurze Ausdrucksweise ohne schmückende Elemente bezeichnet.“

So ein „lakonischer Stil“ lässt sich bei Cailloux, der mit kurzen Sätzen, vielen Absätzen und wenigen metaphorischen Zusätzen arbeitet, in der Tat ausmachen. Und doch trifft diese für das Ganze geltende Beschreibung es nicht ganz, wenn man aufs Detail schaut. Denn so wie die Stroboskop-Blitze der Muße-Gesellschaft, die der Ich-Erzähler zusammen mit seinem Freund Andreas Büdinger gegründet hat, durch die Diskotheken der erzählten Zeit zucken, so schlagen immer wieder scharfe und wie im Rausch pointierte Sprachblitze in die scheinbar schmucklose Lakonie des Erzählens. Etwa beim ersten großen Einsatz der Blitzgeräte zum Abschluss der Internationalen Songtage in der Essener Grugahalle 1968. Ein überwältigender Erfolg für die Muße-Gesellschaft, der den Protagonisten auf eine höhere Ebene des Erlebens hebt: „Im Taupunkt der Nacht hatte ich mich für einen kurzen [...] Moment frei gefühlt; frei von jeder Absicht, von jeglichem Zwang. [...] Das starre Gerippe des Ehrgeizes, der Fanatismus war gewichen, diese Erblast, immer eine Art Endsieg zu wollen, wie weggeblasen von der Orgie aus Musik und Licht.“ Oder wenn der Einsame seine Club-Besuche beschreibt und „die Träumer am Tresen“ versteht, weil sie wie er „einmal mehr am Nullpunkt der Nacht“ alleine dastehen. Der aber auch noch zum Schluss – nachdem er mit der Muße-Gesellschaft seinen Widerspruch des „Hippie-Businessman" gelebt und eine zur Geschäftsbeziehung gebrochene Freundschaft erfahren hat – an das „proustsche Blitzchen der Subversion“ glaubt. Es sind vor allem diese kleinen Juwele von Sätzen, die man sich am liebsten um den Hals hängen möchte, damit es um einen herum immer funkelt. Sie machen Cailloux’ Roman zu einem reichen Sammelsurium sympathisch-unspektakulärer Lebensweisheiten, wie „Vielleicht war ja das Schöne am Sex, solange wie möglich nicht zu wissen, um was es ging“ oder: „Das Glück lag immer hinter der nächsten Wand, damals wie heute“.

Das Porträt einer ganzen Generation mag, wie es die Spiegel-Rezension verspricht, „hinreißend lakonisch“ sein, das Buch von Bernd Cailloux ist es – zum Glück – nicht nur.

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