Donnerstag, Juli 13, 2006

Velázquez: Las Meninas (1656)

Was sofort auffällt: Wie das Bild seinen Betrachter anschaut. Fast alle der dargestellten Personen wenden ihm jeweils ihren Blick zu. Und nicht nur das, offensichtlich wurde hier ein ganz besonderer Moment der Kunst festgehalten, nämlich das Malen selbst: Ein Maler scheint dazu beauftragt, die königliche Familie zu malen. Und das ist der große Trick: Velázquez malt einen Maler beim Bildmalen - die Malerei macht sich also selbst zum Thema. Dieser Aspekt an sich ist bereits ausgesprochen modern (zumindest dann, wenn man „Selbstreferenz“ als Kennzeichen moderner Kunstwerke versteht). Aber damit nicht genug: Das, was der Künstler malt, ist nicht auf dem Bild abgebildet, nein. Es wird dem Betrachter explizit vorenthalten, denn von der Leinwand des Malers sehen wir nur den Rücken. Das, was der Künstler malen soll, ist außerhalb des Bildes, das sind wir, denn der Maler schaut uns direkt ins Gesicht. Damit kommt noch ein anderes entscheidendes "Merkmal der Moderne" ins Spiel: Das Bild erhält seinen Sinn allein durch unsere Präsenz. Die Theorie, dass der Betrachter ein Bild erst durch seine Beobachtung "existieren" lässt, ist hier sozusagen ver-BILD-licht.

Das eigentliche Sujet des im Bild gemalten Bildes - das man ja nicht sehen kann, weil die Leinwand uns nur ihre Kehrseite zeigt - findet sich dann aber doch noch thematisiert: Hinten an der Wand, in etwa zentraler Position, hängt ein Spiegel. Er reflektiert das Königspaar Phillip IV und seine Frau, also das, was Velázquez Werk nicht zeigen kann (bzw. nicht zeigen will). Aber diese historischen Bezüge (das Königspaar, die Hoffräulein – Las Meninas) haben mich nie interessiert. Mich beeindruckt, wie hier das Wer-betrachtet-hier-eigentlich-wen-Schauspiel vollends durcheinander gerät und die Ordnung der Blicke auf den Kopf gestellt wird. Oder wie Michel Foucault schreibt: „An dieser Stelle genau findet ein ständiger Austausch zwischen Betrachter und Betrachtetem statt. Kein Blick ist fest, oder: [...] Subjekt und Objekt, Zuschauer und Modell [kehren] ihre Rolle unbegrenzt um.“ (Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt/M. 1999. S. 33)

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