Auge um Auge, Zahn um Zahn
Freitag, 25. Februar 2005, Essen, Grend: Maximilian Hecker sieht aus wie ein bulgarisches Mädchen oder zumindest so, wie in meiner Vorstellung die Mädchen im Sofia der 70er wohl rumgelaufen sein müssen: blasser Teint, grau geschminkte Augenlider, strohiges Haar, das weit unter den Ohren auf der Wange und im Nacken kitzelt und schließlich weiße No-Name Turnschuhe, die in unruhigen Abständen ein Pedal treten. Ich stehe direkt vor der Bühne, mein Blick kann von links unten in seine Nasenlöcher kriechen und ihn beim Singen beobachten. Dabei öffnet er nicht einfach bloß den Mund und stößt Laute aus, nein, der untere Teil seines Gesichts präsentiert ein eigenwilliges Zähnefletschen. Mit halb zugekniffenen, im Glanz des roten Bühnenlichts gleichgültig wirkenden Lidern zieht er seine Oberlippe bis zur Nasenspitze hoch, bleckt den cremefarbenen Schmelz schöner Zähne und zeigt dem andächtigen Publikum, wie man in den Rhodopen für gewöhnlich wohl stilvoll vor die Hunde geht. Die Musik hätte was von einem feierlichen Abschied, wären da nicht die knorrigen Gelegenheitskommentare der Balkan-Bracke da oben, welche das Kleinwild da unten dazu veranlasst, alles doch nicht ganz so tragisch zu nehmen, ab und zu mal vor sich hin zu kichern und sich nach dem Konzert noch eine CD vom Künstler zu kaufen.
Zwei Tage später, Bochum, Bahnhof Langendreer: Es dauert seine Zeit bis Adam Green auf die Bühne stelzt. Vorher passiert erst mal eine Zeitlang gar nichts, nur die Körper rings herum schmiegen sich immer enger aneinander und beschließen den regen Austausch von schwitziger Wärme. Dann fangen doch noch die „Gnomes“ an zu spielen, eine Band, die keinen Bandleader zu haben scheint, immerhin aber einen Typen, der in der Mitte steht und so etwas ähnliches wie „weeahhr the nones“ ins Mikro knödelt. Das erste Lied wurde vermutlich an einem langweiligen Sonntag in einem verrauchten texanischen Diner geschrieben. „Oh je“, denke ich mir, der ich mal gerade so gar keine Lust auf fiesen Country habe. Die darauf folgenden Lieder sind aber besser oder zumindest unterhaltsamer, vor allem der Bass-Spieler kann was und verleiht der Musik dann doch einen gewissen Indie-Charme. Die Burschen spielen zum Glück nicht zu lange und nach einer weiteren Pause steht endlich Adam im Rampenlicht. Die Reihen energiegeladener Körper vor mir verdecken teilweise die Sicht, ich kann Adams Beine nicht sehen. Auf mich wirkt es, als wären sie auf einem kreuz und quer über das Podium fahrenden Fließband festgebunden. Mit ulkig-zackigen Bewegungen eiert er von einer Ecke in die andere und schafft es, während des gesamten Konzertes seine regungslosen Augen wie zwei bemalte Ping-Pong-Bälle aussehen zu lassen. Nicht ein einziges Blinzeln stört den trägen Blick unter der „Ich war schon mal in New-York“-Frisur dieses jugendlichen Derricks. Nach zwei Zugaben ist auch diese Show vorbei. Ich überlege mir beim Rausgehen, wie es wohl wäre, wenn Maximilian Hecker und Adam Green mal ein gemeinsames Projekt in Angriff nehmen, etwa eine Hörbuch-CD, auf der sie Bibel-Texte rezitieren. Bei der Gelegenheit könnten Sie auch gleich das mit dem Auge und dem Zahn auf ihre Weise richtig stellen.
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